Lernweg I
oder "Der Weg des Nachspielens und Feeling"

Viele Gitarristen haben überhaupt keine oder nur sehr wenig Ahnung von der Theorie. Die Tatsache an sich bedeutet allerdings nicht viel. Die Frage die sich dabei stellt: Können sie spielen und sind sie glücklich damit? Mal abgesehen von der üblichen und falschen Prahlerei unter Gitarristen, kann die Frage für viele mit ja beantwortet werden. Allerdings sind es sehr wenige unter "guten" Musikern.

Um diesen Weg zu gehen, benötigt es ein wenig Talent für Rhythmus, Gehör und Feeling, sowie eine ganze Menge Tabulatur des gewünschten Musikstils. Es wird nachgespielt bis zum Abwinken, und dank dem Internet, lässt sich jeder Song auch finden. Das einzige was noch gelernt wird, sind Akkorde, Licks und im Höchstfall das Schema der Pentatonik. Alles andere wird nach Gehör gemacht, sowie durch Kreativität, Überraschung und Chaos ergänzt.

Trotzdem wird mit der Zeit ebenso nach Skalen und Tonleitern gespielt, nämlich was andere tun und sich gut anhört. Nicht bewusst oder aus Wissen heraus, sondern rein aus dem Bauch und nach Gehör. Jemand der z.B. viel Rock hört, entwickelt ein Gefühl dafür was "gut" klingt, und dies wird dann versucht durch rumprobieren selbst zu spielen. Mit der Zeit werden kleine Theorieschnipsel gelernt, welche von anderen gezeigt werden, oder man hat es mal gelesen, aber ohne größere Zusammenhänge. Mit dieser Herangehensweise kann bis zu einem gewissen Grad auch schöne Musik gemacht werden. Sowie mit viel Zeit auch bestimmte Zusammenhänge erkannt werden (z.B. beliebte Akkordfolgen innerhalb eines Genres). Einige behaupten sogar, dass die Theorie eher die eigene Kreativität und das Feeling hemmt. Andere wiederum, dass solche Leute gar keine Musik machen können, und wenn mal etwas überraschend gutes dabei heraus kommt, dies rein zufällig ist, oder komplett nachgespielt und auswendig gelernt wurde. Wieder Andere sehen darin nur einen traurigen Einstieg in die Musik.

So oder so, dieser Weg bedeutet Zeit, sehr viel Zeit. Außerdem muss öfter mit Frust und eigener Enttäuschung gekämpft werden. Ab einem gewissen Grad ärgert es einen doch, sich nie mit der Theorie beschäftigt zu haben, und wie weit man sein könnte, wenn dies von Anfang gelernt wurde. Spätestens aber wenn versucht wird, seine eigene Kunst anderen näher zu bringen, oder in allgemeinen Fachgesprächen, es fehlen einfach die Möglichkeiten sich auszudrücken.
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